Keine Sorge, das wird keine wissenschaftliche Abhandlung über die von uns allen geforderte Mobilität und Flexibilität. Ich habe einfach am Samstag wieder mal erkennen müssen, was "Öffentlicher Personennahverkehr" wortwörtlich bedeutet:
Personen kommen dir in aller Öffentlichkeit sehr nah bei diesem Verkehr. Darum bleibe ich Fan des Individualverkehrs. Doch der Reihe nach. Am Samstag Abend stand ein Besuch im Cafe Blond in Recklinghausen an. Ein Spanier, der sehr gute Tapas anbietet. Ich freute mich schon lange darauf, denn es ist Jahre her, dass ich dort gegessen hatte. Das Essen entschädigte dann auch für die Unbilden der Anfahrt.
Wir legten die wenigen Schritte zur Haltestelle Sinsen zurück und erklommen behende die lange Treppe, die zum Bahnsteig führte. Dort mussten wir an einem zersplitterten Display unser Viererticket ziehen. Man musste schon sehr nahe heran gehen, dass man noch etwas lesen konnte, aber es gelang.
Nur wenige Schritte weiter war das gesamte Ausmaß der Zerstörungswut zu sehen. An sämtlichen Wartehäuschen waren alle Scheiben eingeschlagen. Solchen Idioten sollten die Hände abfaulen, da hab ich gar kein Verständnis für. Die Scherben lagen großflächig in und um die mit Flatterband abgesperrten Aufbauten.
Schulterzuckend nahmen wir es zur Kenntnis, als ein junger Mann, eine Bierflasche haltend, auf uns zu kam und sich über das von uns schon entdeckte Ärgernis beschwerte. Etwas verwundert war ich, als er uns darauf hinwies, dass der Zug ausfiel. Die Meldung lief über einen kleinen Bildschirm als Laufschrift. Wir hätten es wohl nicht bemerkt. So blieb uns gerade noch genug Zeit für Plan B - umschwenken auf den Bus, dessen Haltestelle direkt neben dem Bahnhof liegt.
Der Mann fragte uns, wo wir hin wollten. Zufälligerweise hatten wir das gleiche Ziel. Recklinghausen Hauptbahnhof, oder wie er es aussprach ERR-EE-HAA-BEE-EFF. Von da an folgte er uns und gab mir den Namen Andy.
Er selbst stellte sich auch vor. Der Name, den er nannten, klang so ähnlich wie der Hauptcharater aus "Eine schrecklich nette Familie". Alsbald fragte er mich, ob ich gerne rauchen wollte und bot mir eine selbstgedrehte an.
Bereits an der Haltestelle drehte sich das Gespräch etwas im Kreis und er fragte mich, ob ich ihm eine Zigarette verkaufen könnte. Nicht erst da vielen mir seine ziemlich großen Pupillen auf. Als dann auch noch seine Bierflasche auf dem Boden zerschellte und wir eine leichte Bierdusche auf Kniehöhe abbekamen, fragte ich mich wieder, warum wir nicht das Auto genommen hatten.
Während wir auf den Bus warteten, hielt ein BMW. Die Scheibe wurde herunter gefahren und unser neuer Bekannter steckte noch vor der üblichen Frage nach einer Wegbeschreibung seinen Kopf ins Wageninnere und fragte, wohin der der Fahrer wolle und ob er ihn für fünf Euro mitnehmen können. Nach ERR-EE-HAA-BEE-EFF.
Der Fahrer war nicht gewillt, erhielt aber doch seine Auskunft, wo es zur Almina Eventhalle geht. Auch wenn ihm erklärt wurde, wir er zur Alemania Festhalle käme. Ich hoffe, er ist gut angekommen. Wir wurden danach aufgeklärt, dass wir aufpassen müssen. Die Türken heiraten dauernd und vermehren sich wie die Karnickel. Montag ist schon die nächste Hochzeit.
Im Bus wurde dann noch die Busfahrerin belehrt. Worüber verstand ich nicht. Auf jeden Fall wurde unser Mitfahrer aufgefordert, sich endlich zu setzen. Die Chance nutzte er, um mir unterwegs zu sagen, dass zu seiner Freundin fahre.
Eine Haltestelle später berichtete er, er würde zu einem Date fahren und wenn seine Perle das rausbekommen würde, dann ... Was dann wäre, erfuhren wir nicht. Dafür hieß ich ab da Sven und es wurde uns mehrfach versichert, dass ich der allerbeste wäre.
Nachdem uns noch vom anstehenden Urlaub mit L'TUR am Montag nach Santo Domingo berichtet wurde - "Da kriegst du alle - schwarze, weiße, breite, Nutella!" - und ich noch bei der Suche nach einem Haustürschlüssel half, der aber als Harleyschlüssel bezeichnet wurde, beschlossen wir, eine Haltestelle eher auszusteigen. Denn der Hinweis auf meinen Hunger wurde dazu genutzt, vorzuschlagen, dass wir am ERR-EE-HAA-BEE-EFF, doch alle nach McDonalds gehen könnten. Menüvorschlag war Cheeseburger Doppelt-Cola.
Wir verabschiedeten uns und ich wurde darauf hingewiesen, dass ich Thorsten grüßen soll. Leider war er nicht da.
Ich glaube, das Thema Busfahren ist für 2017 damit für mich auch wieder erledigt. Immerhin kamen wir heile in Recklinghausen an und genossen Tapas vom feinsten. Das Essen war so gut, dass ich verdrängte, dass wir auf gleichem Weg wieder zurückmussten.
Am ERR-EE-...am Hauptbahnhof erfuhren wir, dass der Zug immer noch ausfällt, also blieb wieder nur der Bus. Zwanzig Minuten warten in der Kälte und alle Kioske hatten schon geschlossen. Samstag Abend kurz nach 22 Uhr in einer nicht so kleinen Stadt, das hat mich doch überrascht. Um halb elf wurden wir auch aus dem McDonalds hinauskomplimentiert, wo ich noch ein Getränk bekam, dass gegen den Aioli-Brand half. Schade eigentlich, bis dahin konnte ich eine gute Feldstudie über die Generation 2000 führen.
Ein paar kleine Mädels, die für mich wirkten wie Siebtklässler, die vergessen hatten, weiterzuwachsen und aus Trauer darüber ihre Gesichter in Mutters Schminkkiste geklatscht hatten, versuchten ultracool mit dem Gastronomiefachverkäufer zu diskutieren, als die Eismaschine nicht ging.
Ich verstand nur, dass die Rädelsführerin des Zwergenaufstands etwas darüber sagte, dass sie "seine Mutter weggeflankt hätte". Ich lachte laut auf und betonte in ausreichender Lautstärke, dass sie sicher keine Ahnung von Fußball hat. Der Witz kam nicht an oder wurde nicht verstanden, lachen tat nämlich nur ich.
Endlich war es aber so weit, dass der Bus fahren sollte. Fuhr er aber nicht. Irgendwann entdeckten wir hinter der Uhrzeit die Zeichen "A" und "B". Ein Blick auf das Kleingedruckte der Beförderungshinweise sagte aus, dass ab 22.49 Uhr nur der Taxibus fährt. Diesen muss man 30 Minuten vorher anrufen, damit er kommt.
Der andere Bus nach Marl fuhr gerade vor unserer Nase weg, also blieb nur ein erneuter Marsch in den Bahnhof. Auf einem anderen Gleis stand ein Zug, der uns weiterbrachte.
Achtung - der folgende Ablauf liegt nur verschwommen in meinem Gedächtnis vor, hat sich also vielleicht gar nicht so abgespielt oder es war jemand anders und hat mir davon erzählt. Ganz sicher war ich es aber nicht. War nicht mal in der Nähe. Es ist nur eine alte Geschichte, die ich mal gelesen habe.
In der ging es darum, dass zwei Personen, von denen eine ein Viererticket in der Tasche hatte, auf einen stehenden Zug zurannten, damit sie ihn noch erwischen. Möglicherweise ist ihnen das auch gelungen. Im Inneren hätten sie dann feststellen können, dass ein notwendiges entwerten des Beförderungsscheines in der Eile übersehen worden sein könnte. Mit Sicherheit hätten sie sich ob dieser Erschleichung von Leistung geschämt. Darum kommt sowas im echten Leben auch nicht vor und ich kann so etwas auch nicht gutheißen. Ich distanziere mich aufs Äußerste. Oder würde es, wenn es mal so sein würde gewesen ist könnte hätte war ja nicht.
Andererseits könnten andere auch sagen, dass das nur ein gerechter Ausgleich für Frieren, Wartezeit und Kleingedrucktes, komische Begleitpersonen und ausfallende Verbindungen ist. Wäre!
In dem Sinne - verzichtet auf das Bier und fahrt lieber selber. Da könnt ihr entscheiden, mit wem ihr wann wohin und zurück kommt.