Wie lange haben wir das geplant? Wie viele Jahre? Akribisch aufgebaute Pläne und Terminierungen zerfielen immer kurz vor der Ausführung zu Staub. Letzte Woche Donnerstag war es soweit. Die beiden alten Recken Scheich und meine Wenigkeit starteten um 18.30 Uhr. Erster Anlaufpunkt "Bei Ferdi", ehemals von 8 bis 8 glaub ich. Jeder ein kleines Pils und dann erstmal das Interieur beguckt. Ziemlich gemütlich, wenige Gäste, eine ganze Wand voll mit kleinen Dirty Harry und Kümmerling-Fläschchen. Sah schon beeindruckend aus. Irgendwann wurden wir dann aufgeklärt, dass wir uns in einem Raucherclub befinden. Man kann hier nur noch als Mitglied einkehren. So wurden wir dann spontan Mitglied in einem Raucherclub. :-D
Nächste Station Treffpunkt, Donnerstags großes Pils für 1,50€. Also ausnahmsweise mal vom kleinen Pils abgewichen und Prost. Wir waren die ersten Gäste und saßen in flackerndem Discolicht, angestarrt von einer Keramikente die den Blick von Klaus Kinski perfekt imitieren konnte. Schon jetzt fühlte ich die erste Bettschwere aufkommen.
Bevor wir ins Brauhaus gingen, gab es eine Stärkung bei Subway. Ich hätte die Dame hinter der Theke heiraten wollen, so viele Peperonis hab ich noch nie bekommen. Sie griff mit ihren zarten Fingern tief hinein und herzhaft zu. Wahnsinn! Es war unglaublich lecker aber ich hatte schon Angst welche Mischung ein Berg Peperonis und einige Liter Bier in meinen Innerein ergeben würde und besonders vor den Folgen graute es mir.
Dritte Trinkstation: Brauhaus. Wieder nicht viel los, eine Diskussion zur Marihuana-Legalisierung, ein Pils und weiter ging es.
Vierte Station: Spirit. Keine Gäste, zwei Pils, Hörspiele diskutiert und weiter. Wir überlegten kurz ob wir an der Tankstelle noch ein Zwischenbier einlegen, aber bis "9 bis 9" war es ja nicht weit. Um 21.15 Uhr (ja, wir hatten echt schon fast drei Stunden gebraucht!) hatten die tatsächlich schon zu! Wir dachten der Name wäre nur ein Witz! Keine Chance mehr auf ein Pils, also weiter. Durch die Hülsstraße, wo wir tiefgreifend über Kindheitserinnerungen über diese Ladenstraße philosophierten. Oha...Kindheitserinnerungen...das Bier fing an zu wirken!
In den Altdeutschen Stuben gab es erstmal wieder ein Veltins für Scheich, ein Köpi für mich. Währenddessen lief im Hintergrund eine Tanzveranstaltung ab und Udo Jürgens-Schlager, gecovert von irgendwem Unbekannten, schallten aus der Box. Was uns zur Diskussion über Schlager führte. Die Themen sprangen häufig, wurden nur immer wieder unterbrochen von Hörspielen, die uns den ganzen Abend begleiteten.
Station Nr. 6 war dann das Gambrinus. Eindeutig die schönste Kneipe, die fast schon wie ein Restaurant aussah. Die Lampen und die Ausstattung erinnerten doch ziemlich ans Tiffany (na, wer von den älteren unter uns erinnert sich noch?). Hier traf man auch die meisten Gäste, die einem auch sofort Schnaps anboten. Wir lehnten aber beide ab.
"Kein Ouzu? Oder mögt ihr eher Pfläumchen? Aber ihr müsst aufpassen: Jede Pflaume schmeckt anders!" :-D Nette Leute, auch wenn ein alter Kalauer war. Da fällt mir wieder ein:"Kalauer? Hier lauter kein K!" Tätää - tätää - tätää! :-D
Die Legende vom selbst gebrauten Bier dort wurde allerdings widerlegt. Aber gezapftes Radeberger, das kriegt man ja auch nicht überall. Und dann folgte der Standardspruch den Scheich in jeder Kneipe brachte.
Glas leer, Kellnerin kommt.
"Wollt ihr noch eins?"
Scheich:"Wir haben eine Mission!"
"Welche?"
Ich:"Jede Kneipe ein Pils und dann weiter. Das Laternchen wartet!"
Wirtin:"Laternchen? Dann grüßt mal die Sandra von der Gudrun!"
Wir:"Machen wir!"
Eine Minute weiter wussten wir erstmal nicht mehr, wen wir von wem grüßen sollten. Dann entdeckten wir mysteriöse Busunternehmen in scheinbar unbekannten Kirchengebäuden. Nie gesehen vorher. Das Bier brachte uns trotz der bewiesenen enthaltenen weiblichen Hormone zu immer urmännlicheren Verhaltensweisen. Luftentweichungen die schon fast brunftartig durch die Nacht hallten.
Station Nr. 7: Laternchen. Sehr gemütlich, wieder ein paar Gäste nur, die übliche Kneipenmusik. Dazu ein nur halbbezahnter älterer Herr mit Goldzahn der alle begrüßte und uns beim Rausgehen mit erhobenem Zeigefinger ermahnte, dass wir auch nicht immer jung bleiben würden. Das überraschte uns, denn vom Feeling her hatten wir ein gutes Gefühl tatsächlich für immer weiter machen zu können. Nach dem Pils ging es um die Ecke, vorbei an uralten Häusern auf die man nie achtet und zu einer Kneipe, von der nie jemand etwas gehört hatte. Hansa Quelle. Gezapftes Hansa vielleicht? Allerdings war das Licht da doch sehr schummerig und die Umrisse des Mannes, der einsam im Hinterzimmer an einem Tisch saß, wirkte auch nicht sehr vertrauen erweckend. Er sah aus wie eine Mischung aus dem späteren Marlon Brando und Klaus Kinski.
Scheich:"Da gehen wir nicht rein."
Ich:"Nur Mut, ich bin direkt hinter dir wenn du die Tür aufmachst."
Dann war doch ich es, der nach der Klinke griff. Abgeschlossen! Doch etwas erleichtert setzten wir den Weg fort. An der Ecke mit der Victoriastrasse war dann Haus Wessel. Iserlohner sollte es dort geben. Ein Blick durch das Fenster - keine Gäste, nur vier Kanten. Richtige Kanten! Wieder mal allen Mut zusammen genommen, diesmal Scheich vorne weg. Die vier türkischen Riesenkanten, keiner unter 140Kg würde ich schätzen, mit einem Kreuz hinter dem sich Bud Spencer locker hätte verstecken können, sahen uns fragend an.
"Ja?"
"Zwei kleine Pils hätten wir gerne."
Pause.
"Hier gibt es kein Alkohol, wir sind gläubige Mohammedaner."
Wir mussten dann auch schon weiter...mysteriös, bei der Karte an der Tür die Bacardi-Cola und ähnliches anpries. Hatte uns das Glück verlassen? Nein, endlich fanden unsere trockenen Kehlen wieder eine Erfrischung.
Station Nr. 8: Marktstube. Raucherclub.
"Guten Abend, wir sind keine Mitglieder."
Wirt:"Dann zapfe ich euch einfach so mal zwei Pils."
Köstlich, köstlich...endlich wieder Bier, der Weg war weit gewesen.
Scheich:"Eigentlich hätte ich nicht gedacht, das wir so viele Kneipen schaffen. Nee, hätte ich doch gedacht. Ne, hätte ich nicht! Was rede ich denn hier?!"
Nun ja, langsam wurde es spät. Mitternacht lag knapp hinter uns als wir an der Schmiede ankamen. Aber die Schmiede hatte auch schon zu und so ging es den Lipper Weg in die andere Richtung hoch. Unterwegs stellten wir unsere Bedeutung für die Gruppe um uns herum heraus, wir sind das Bindeglied, fähig uns mit allen über alles zu unterhalten, unglaublich profundes Grundwissen über Schrott der niemand interessiert. :-D
Station Nr. 9: Bauernstube. Hier wurde gekickert, aber ich riss mich zusammen als ich Scheichs vorwurfsvollen Blick sah. Hier gab es je ein Landfürst (die wievielte Sorte war das überhaupt heute abend?!) und ein Warsteiner to go im Plastikbecher, was einen neuen Trend begründen könnte. Denn bis zur Kneipe Nr. 10, Haus Kluge, war es ja endlos weit. Dort hinein, ein Pils, ein Stück einer vertrockneten Pflanze mitgenommen um Scheich zu beweisen, dass ich ein Loch in der Nasenscheidewand habe.
Scheich:"Baaah...aber das würde ich auf jeder Party bringen!"
Drewer-Hof hatte leider schon zu, also zurück zur Bergtstraße. Noch mal ins Spirit, es regnete und wir hatten wieder Durst. Also keine neue Kneipe, aber ein neues Bier. Und irgendwie stimmt es doch. Umso mehr Bier Männer trinken, umso schöner finden sie Frauen. Bei mir blitzt dann immer Satz auf "Wenn ich die Kellnerin heirate, kann ich für immer hier leben...".
Danach ging es erstmal zum Stop-Shop, ein Bierchen holen, weil der Weg lang war und wir berechtigte Angst hatten, überhaupt nichts mehr zu finden. Sogar der Kiosk hatte zu, aber mit geschlossener Kette wurde uns noch einmal geöffnet.
"Ja?"
"Wir hätten gerne zwei Pils."
"Welche?"
Scheich:"Veltins."
Ich:"Potts."
"Das ist kein Pils."
"Dann kriegen wir ein Pils und ein Bier."
"Ich weiß nicht, was das kostet."
Also verwirrte Scheich den Mann noch mehr in dem er irgendwelche Bifis bestellte, wir drückten im Geld in die Hand, er schloss ab und wankte davon.
Ich:"Eigentlich wäre es mir das echt schon wert, wenn er jetzt einfach das Licht ausmacht und mit dem Geld abhaut."
Scheich:"Verdammt, ich hab ihm 10 Euro gegeben!"
Aber wir bekamen sogar das bestellte. Doch als der Mann mit zwei Potts kam, dachte ich schon, mein Wechselgeld würde ebenfalls in Bier ausgezahlt werden. Dem war aber nicht so. Also durch den beginnenden Regen vorbei am geschlossenen Treffpunkt und beim geschlossenen Ferdi, die Lasalle-Strasse hoch. Vestischer Hof - zu, Poststübchen - zu, Klause - zu. Letzte Chance: Sombrero. Doch auch da wollte uns um kurz vor zwei niemand mehr hereinlassen. So endete unsere Tour nach mehr als fünf Stunden, einigen Kilometern und genau zweistelliger Anzahl an Kneipen. Fazit: Absolut wiederholenswert! Gezapftes Veltins, Warsteiner, Krombacher, Köpi, Radeberger, Landfürst, Brinckhoffs...das sind die, an die ich mich erinnern kann. :-) Also, wer so etwas plant: Ich bin dabei! Ich will mehr! Aber plant Zeit und viel Laufvermögen ein.