Schwerkraft im Wandel der Zeit - oder: warum Kinderspielplätze für Erwachsene gesperrt werden sollten!
Gestern nutzten wir die kurze regenfreie Zeit und fuhren mal wieder zum Spielplatz. Während der Nachwuchs entspannt in der Schaukel saß, ließ ich meine Blicke schweifen. Eine Schaukel, ein Karussell, eine Rutsche, die man über ein abenteuerliches Sammelsurium aus Brücken und Leitern erreichte. Und am Ende eines Balkens zum Balancieren, ein Gerät, dessen Bezeichnung wohl Hangelgerüst ist. Ihr wisst schon, so eine Art querliegende Leiter, an der man sich unten dran hängen und im besten Fall von Sprosse zu Sprosse elegant bis zum rettenden Ende hangeln kann.
Ein Mädchen von etwa zehn bis zwölf Jahren zeigte mir gerade, wie einfach es ist. Gefühlt schwebte sie, weniger als eine halbe Minute benötigte sie für das gute Dutzend an Sprossen. Ich lächelte und erinnerte mich zurück, dass auch ich diese Disziplin einst meisterhaft beherrschte. Damals ...
Bei dem Anblick fühlte ich mich zurückversetzt in diese Zeit, was einen Energieschub auslöste, welchen ich nutzen wollte, um meine immer noch vorhandene jugendliche Dynamik unter Beweis zu stellen. Ich hätte nun einfach lässig zu dem Hangelgerüst schlendern können, aber nein, das wäre nicht genug!
Ich startete also zu Beginn. Das Balancieren gelang mir mühelos und steigerte meinen Enthusiasmus. Auch die folgende, aus nur wenigen wackeligen Balken bestehende Brücke, konnte mich nicht stoppen. In Gedanken bereite ich schon meine Anmeldung für "Ninja warrior germany" vor, ich hörte bereits die sich überschlagende Stimme des Moderators, der mich bejubelte.
Nur noch schnell die kleine Leiter hinauf, dann hatte ich schon die erste Plattform erreicht. Hier blieb ich nur kurz unter der doch sehr niedrig angebrachten Kette, die wohl Kinder vor dem Sturz bewahren sollte, hängen. Schlangengleich wand ich mich hervor und genoss den Ausblick, den mir meine Besteigung bescherte.
Von hier boten sich mir zwei Möglichkeiten. Entweder eine Feuerwehrstange, die mich direkt zu Boden führte, oder die Rutsche. Ich legte die Hand bereits auf das kühle Metall, dann sah ich nach unten. Ganz schön hoch! Das ist doch unglaublich! Eine Gefahr für unsere Kinder!
Ich wollte den anwesenden Kindern kein schlechtes Beispiel geben und entschied mich daher für die Rutsche. Waren die eigentlich früher auch so eng?
Ich zwängte mich in die Rinne, wobei ich ca. vier Kilogramm Sand, der sich dort oben angesammelt hatte, unter mir begrub, um ihn bei der rasenden Rutschpartie zurück in den Sandkasten zu befördern. Der leicht feuchte Untergrund bremste dabei sowohl meine immer noch gewaltige Geschwindigkeit, als auch meine Landung, bei der meine Sprunggelenke sich meldeten und mir in Erinnerung riefen, dass ich im Restaurant zur goldenen Möwe auch trotz Coupons durchaus mal nur das Menü in Small nehmen könnte.
Dennoch spürte ich die Blicke der anderen beaufsichtigenden Elternteile neidisch auf mir ruhen. Ich zeigte ein Lächeln, welches irgendwo zwischen "Gott, seid ihr anderen alt!" und "Ja, ich habe Spaß!" lag. Nun sollte doch die meisterhafte Kür folgen. Das Hangelgerüst.
Die Startplattform verließ ich wieder, da sie dafür sorgte, dass mein Kopf bereits über dem Gerät in den Wolken hing. Stattdessen stellte ich mich darunter und griff nach der ersten Sprosse. Doof war nur, dass meine Füße immer noch auf dem Boden standen. Ein Klimmzug würde die Lösung sein.
Doch irgendwie sorgten die schwere Jeansjacke und die vom nassen Sand schweren Schuhe dafür, dass mein Körper sich nicht erhob. Sei es drum, ich zog einfach die Füße an.
Sofort schmerzten meine Schultergelenke, meine Finger versuchten sich in das Metall zu krallen. Jetzt nur noch loslassen und nach der nächsten Sprosse greifen. Doch was war das? Meine Hände schienen wie Magnete mit dem Metall verschmolzen. Schwung! Ich brauchte Schwung!
Mit einer unwahrscheinlichen Willensleistung versetzte ich meinen Körper in Pendelbewegungen. Vor - zurück. Vor - zurück. Nein, einen Überschlag brauchte ich wahrlich nicht zu befürchten. Doch immerhin schien mir der Schwung nun ausreichend, um nach der nächsten Sprosse zu greifen. Ich löste die linke Hand, griff nach vorne. Als ein mörderischer Sog mich packte und in die Tiefe riss!
Ich versuchte noch, die Sprosse zu ergreifen, doch die Schwerkraft zog mich unbarmherzig zu Boden. Man darf nicht vergessen, dass die Fallgeschwindigkeit bereits nach einer Sekunde 35 km/h beträgt. Pro Sekunde nimmt sie um 9,81m/Sekunde zu!
Doch ich gab noch nicht auf. Ich versuchte, mich den Naturgesetzen zu widersetzen. Ich streckte den Arm, schleuderte die Hand nach oben. Meine Finger berührten das Metall! Leider in der Gestallt, als das ich volle Kanne dagegen schlug. Aus! Vorbei!
Ich stand enttäuscht und verletzt im Sand. Meine Finger schmerzten erbärmlich, selbst einen mehrfachen Trümmerbruch wollte ich nicht ausschließen. Schlimmer noch, ein Fingernagel war zerstört. Und was das Schlimmte war: ich musste einsehen, dass auch ich gegen den Lauf der Zeit machtlos war.
Zum Glück fand meine Frau tröstende Worte. "Das hast du doch schon letztes Jahr nicht geschafft!"
Tja, das hatte ich wohl verdrängt ... Auf der Rückfahrt beschloss ich eine Diät und hartes Training. Beides verwarf ich wieder, als wir den Hähnchenwagen passierten. Na ja, es heißt eben nicht umsonst Kinderspielplatz. Für Erwachsene sollten sie einfach gesperrt werden. Aus physikalischen Gründen und sowieso!
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